Sharing is dead – lang leben die Angebote der smarten Mobilität

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Die Mobilitätswende ist in Europa in vollem Wandel. Es gilt, die Menschen aus dem eigenen Pkw, der zumeist alleine genutzt wird, herauszubekommen und nachhaltige Alternativen anzubieten, die in den Städten und auf dem Land genutzt werden können. Und wie im ‚echten Leben‘ gibt es bei dieser Transformation der Mobilität Menschen, die aktiv an diesem Wandel mitwirken wollen und die Miesmacher und Bremser, denen Wandel als etwas Schreckliches erscheint. Das Jahr 2022 war wieder einmal voll von Nachrichten, die von echten Innovatoren und den ‚Stillstehern‘ handelten. Doch um diese geht es mir heute nicht, da schauen wir im Januar noch einmal gesondert in unserem Rückblick drauf.

Generell gilt für unsere Mobilität: Ohne ein Weniger an Fahrzeugen werden wir die Mobilitätswende in den Städten nicht schaffen. Punkt. Dennoch, und das ist aus meiner Sicht ganz wichtig bei diesem Wandel zu einer gerechteren, nachhaltigeren Mobilität, gilt es die diversen Angebote immer wieder in Frage zu stellen. Letztlich müssen für Anbieter deren Offerten langfristig profitabel gestaltbar sein. Für den Nachfrager gilt es sichere, saubere und preislich attraktive Angebote zu schaffen, so dass diese tatsächlich den Sprung weg vom eigenen Pkw hin zu anderen Verkehrsträgern vollziehen. Zum Jahresabschluss habe ich mir deshalb drei ganz frische Beispiele herausgesucht: aus dem Bereich des Sharings, also des Teilens von Fahrzeugen. Denn für die Einen ist Sharing tot, für die Anderen ein elementarer Bestandteil smarter Mobilität.

Paris erwägt die Abschaffung von Sharing E-Scootern

Seit mehreren Wochen halten sich die Gerüchte, dass die Stadt Paris die E-Scooter im Sharing verbieten werde. Im Jahr 2020 hat die Stadt an drei E-Scooter Sharing Anbieter Lizenzen vergeben, wir hatten hierzu berichtet. Wenige Tage vor Weihnachten verdichten sich jetzt die Berichte französischer Medien und es scheint sich abzuzeichnen: Die Bürgermeisterin „Anne Hidalgo plant die Dienste für gemeinsam genutzte elektrische Tretroller endgültig verbieten zu lassen,“ so schreibt beispielsweise der Tech-Blog Frandroid aus Paris. Die drei Anbieter Dott, Lime und TIER seien zwar noch in Gesprächen mit den Verantwortlichen der Stadt, um ihre bislang insgesamt 15.000 elektrischen Scooter in der französischen Metropole halten zu können. Denn im Januar 2023 steht die Verlängerung der Lizenzen für die 20 Arrondissements von Paris an.

Doch all‘ dies Vorschläge hätten Paris nicht überzeugt. Die Regulierungsvorschläge der Betreiber seien nicht überzeugend genug, so berichten diverse Medien. Die Stadt wäge die Umweltbilanz der E-Scooter, die Unfälle und die mangelnde Einhaltung der Straßenverkehrsordnung dessen Fahrer gegeneinander ab. Und tatsächlich haben sich die Nutzerstatistiken zugunsten der Sharing Fahrräder in Paris verschoben. Der Weg zu Fuss und die Nutzung der Paris Métro (U-Bahn) werden um die Sharing-Räder der Stadt Paris und diverser privater Anbieter ergänzt. Da entfällt die oftmals recht teure E-Scooterfahrt – trotz der Verbesserungen der Infrastruktur durch den Umbau der teils schmalen Straßen und Avenues mit gesicherten Radwegen. „E-Scooter sharing in Paris seems to be dead.“

Berlin erhält einen neuen Mobility-Hub

Vielleicht fehlt in Paris auch einfach der Platz für das gezielte Abstellen der E-Scooter. Wohl dem, der dafür sogenannte Mobility Hubs bauen lassen kann. So geschehen in Berlin: Am Bahnhof Berlin Südkreuz startet die Deutsche Bahn (DB) einen neuen Mobility Hub für ihre Kunden. Reisende finden ab sofort sämtliche Sharing-Angebote gebündelt an einem Ort und können bequem vom Zug auf E-Roller, E-Scooter etc. wechseln. Am Mobility Hub befindet sich eine Station des DB-internen Bikesharing-Systems Call-a-Bike sowie Stellplätze für E-Scooter der Partner Bolt, Lime, Voi und TIER. Auch die Sharing E-Mopeds von emmy und felyx können Reisende direkt an der Station mieten. Und für die etwas weiteren Fahrten, zum Beispiel ins Umland von Berlin, stehen die Carsharing-Fahrzeuge des Anbieters MILES vor Ort zur Verfügung.

Berlin setzt mit diesen Mobility Hubs auf multimodale Angebote. Am Südkreuz ist der vierte Mobility Hub der Deutschen Bahn in Berlin entstanden (nach drei im Oktober zusammen mit Jelbi eröffneten Hubs am Hardenbergplatz in Charlottenburg) und der Fünfte bundesweit. Weitere Mobility Hubs folgen Anfang 2023 unter anderem in Hamburg und Stuttgart. Die elektrischen Fahrzeuge finden somit einen Parkraum, der es verhindert, dass diese ungeregelt und teils gefährdend abgestellt werden. „Long live electric vehicle Sharing in Berlin“.

Carsharing in der Stadt und auf dem Land – und es geht doch

Apropos Carsharing – da war doch was? Nach dem Abgang diverser großer Carsharing Anbieter, gibt es nun doch Zeichen der Hoffnung. Für einige Großstädte in Deutschland und Belgien zeigt der Anbieter MILES, wie es geht. Die Berliner übernahmen jüngst die Flotte und Kunden der ehemaligen VW Tochter WeShare, ich hatte vor einigen Wochen davon berichtet. Negativbeispiel ist die Übernahme von SHARENOW durch Stellantis, hier mussten jüngst einige Mitarbeiter ihren Hut nehmen. Zu groß waren die Überlappungen in einigen Märkten und Zentralfunktionen der ehemaligen Konkurrenten.

Und dass Carsharing auch in der Stadt und auf dem Land funktionieren kann, das zeigt der Anbieter deer carsharing aus Calw in Baden-Württemberg. Das Vorgehen ist in der Tat sehr flexibel, denn die Schwaben setzen auf einen gezielten Ausbau der Carsharing Angebote, häufig mit lokalen Partnern. In Kooperation mit der Stadt Stuttgart kündigt deer gerade den Ausbau sechs neuer Standorte mit neun neuen elektrischen Fahrzeugen im Frühjahr 2023 an.

Insgesamt betreibt das Unternehmen in Stuttgart dann acht Standorte. In Kooperation mit der Fraport AG stehen seit dem August diesen Jahres fünf Parkplätze im Parkhaus Terminal 1 am Flughafen Frankfurt zur Verfügung. Alle Parkplätze sind jeweils mit einer Ladesäule ausgestattet und können für Fahrten vom und zum Flughafen Frankfurt genutzt werden. 

Bildrechte: deer e-carsharing Calw – Ladestation für das Elektroauto

Und noch spannender liest sich für mich das Angebt auf dem Lande. Hier ist ja aufgrund der geringeren Nutzerdichte der Einsatz von Carsharing bislang eher in homöopatischen Dosen zu finden. Gemeinsam mit über 100 Partnerkommunen und insgesamt 500
elektrischen Fahrzeugen wurde von deer carsharing ein nachhaltiges Mobilitätsangebot geschaffen, das durch das Teilen sowohl die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen als auch den CO2-Ausstoß reduziert. In Baden-Württemberg werden die Ladesäulen vom Schwesterunternehmen schwarzwald energy mit Ökostrom aus 100% Wasserkraft beliefert. Und damit nicht genug. Auch 2023 werden in den drei Landkreisen Calw, Böblingen und Freudenstadt weitere Stationen eröffnet und somit das Mobilitätsnetz vor allem in den kleineren Städten und auf dem Land dichter gemacht. So geht modernes Carsharing heute.

Mein Fazit zu den erfolgreichen Sharing Angeboten

Von Paris über Berlin aufs Land nach Baden-Württemberg. Das erscheint ein sonderbarer Ritt und ist dennoch Zeichen dafür, wie die Transformation zu nachhaltigen Mobilitätsangeboten in Europa in vollem Gang ist. Gerade in Zeiten der großen Unsicherheit (post-COVID, Krieg in der Ukraine oder Lieferketten Problematik) werden viele dieser neuen Angebote hinterfragt.

Und das ist gut so, denn das brutale und meist rücksichtslose Expandieren mit Hilfe von Investoren-Milliarden, wie bei UBER, Bird und Anderen gezeigt, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Für mich ist das Teilen der elektrischen Fahrzeuge einer der Kerntreiber für eine nachhaltige Mobilitätswende. Und diese wird uns helfen, den Verkehrsfluss in den urbanen Zentren und auf dem Lande (wieder) in Gang zu bringen. Gepaart mit integrierten Angeboten von ÖPNV und der Bahn für die Langstrecke werden wir die Mobilität der Zukunft erleben.

Ich wünsche allen Lesern meines Blogs eine frohe Weihnacht und ein gesundes und friedvolles Neues Jahr.

Euer Michael Brecht