Tübingen gehört für mich, vergleichbar etwa dem Westfälischen Münster, zu den Fahrradhochburgen unter den kleineren Städten in Deutschland. Die 90.000 Einwohner zählende Universitätsstadt liegt im Zentrum Baden-Württembergs. Der durchaus nicht unumstrittene Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) ist ein Vorreiter moderner Mobilität.
Vor einigen Tagen kündigte Palmer deutlich höhere Parkgebühren für Anwohner mit größeren Fahrzeugen an. Das Anwohnerparken in Tübingen soll für Besitzer großer Autos, wie etwa SUVs, statt bislang 30 Euro pro Jahr zukünftig 360 Euro betragen. Das wurde aus den Unterlagen des Tübinger Ausschusses zur Fortschreibung des Klimaschutzprogramms ersichtlich.
Damit geht Palmer ein klassisch deutsches Problemfeld der urbanen Mobilität an, denn das Parken für die Anwohner ist in unseren Städten viel zu günstig. In München lohnt es sich für Bewohner tatsächlich einen alten Kombi auf die Straße zu stellen und mit Parkgebühren von ca. 40 Euro (im Jahr versteht sich) Stauraum deutlich günstiger vor der Türe zu haben, als eine größere Wohnung dafür zu beziehen.
Zurück nach Tübingen. Der Fokus in der Unistadt gilt in Sachen Verkehrsmittel ganz klar dem Fahrrad. Fahrräder gehören zu Tübingen wie der Hölderlinturm – genutzt gleichermaßen von Studenten oder älteren Einwohnern. Hier wird ständig in die Radinfrastruktur investiert. Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) will in den kommenden Jahren in seiner Stadt ein sogenanntes ‚Superradwegenetz‘ erschaffen.
So soll beispielsweise eine neue Radbrücke West als Auftakt einer eineinhalb Kilometer langen, durchgehenden, innerstädtischen Ost-West-Verbindung für Radfahrende bis zur neuen Radbrücke Ost am Stauwehr gebaut werden. Baubeginn ist im Januar 2022, die Freigabe ist im Frühjahr 2024 geplant. Einschließlich einer Radstation samt Fahrrad-Tiefgarage sollen bis zum Jahre 2025 weit über 30 Millionen Euro in die Radverkehrsförderung in Tübingen fließen.
Die beheizbare Brücke senkt Kosten und bringt Sicherheit
Jüngster Coup von Palmer: Radfahrer können im kommenden Winter erstmals über eine beheizbare Brücke fahren. Am heutigen Donnerstag gab OB Palmer die Stahlkonstruktion selbst frei, indem er mit seinem eigenen Fahrrad (versteht sich) über die Brücke fuhr. Die Kosten für die erste von drei bis 2025 geplanten beheizbaren Brücken liegen bei etwa 1,7 Millionen Euro. Auf die Heizschleifen entfallen dabei lediglich 22.000 Euro.
«Der ADFC findet beheizbare Brücken für Fahrradfahrer sinnvoll. Mit Streusalz kann die Glätte nicht zu 100 Prozent beseitigt werden. Außerdem greift es die Brücken an», so eine ADFC-Sprecherin in Stuttgart.
Der Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club ADFC schätzt diese neue beheizbare Brücke als ein Novum ein. Doch gerade im Tübinger Winter ist die Glättegefahr auf Brücken groß, so dass diese beheizbare Brücke für Sicherheit sorgen wird. Zusätzlich wird weit weniger Streusalz für die Brücke selbst benötigt, und gerade Streusalz reduziert die Lebenszeit einer Brücke deutlich. Das Abtauen kostet in Tübingen kaum Strom, zumal die Stadt zu 70% diesen aus erneuerbaren Quellen erhält. So wirkt sich der fokussierte Einsatz smarter Mobilitätslösungen aus. Mir gefällt’s.