Als die ersten Vespa-Roller gleich nach dem zweiten Weltkrieg durch die engen Gassen Roms tuckerten, dachte wohl keiner in Italien an eine **elektrische** Version. Dieses charismatische Knattern der Vespas war einfach reizvoll. Doch, wie man so schön sagt, **die Zeiten ändern sich**. Während meiner Sommerferien unternahm ich einen kurzen Abstecher zu einem Vespa-Händler in der schönen Toskana. Ich wollte unbedingt mehr über die Vespa Elettrica erfahren – die **elektrische** Vespa!
Die Vespa entstammt dem toskanischen Stammwerk von Piaggio in Pontedera
Im September 2018 begann die Fertigung der elektrischen Vespa im Piaggio-Stammwerk Pontedera in der nördlichen Toskana. Der Verkauf wurde zunächst ausschließlich Online gestartet, hier wird seither mit dem Slogan ‚The Electric Lady‘ für den italienischen E-Roller geworben.
Beim Design der Vespa Elettrica setzen die Italiener auf Tradition – und das ist gut so
Das Design der elektrischen Version der Vespa sieht genauso aus, wie das des Rollers mit Benzinmotor. Die Elettrica ist in der Grundfarbe immer silber, lediglich im Farbton der Streifen kann der Kunde seine Vespa speziell erkennen.
Am Lenker hat sich dann doch einiges getan, denn hier gibt es keinen klassischen Tacho mehr, sondern ein digitales 4.3 Zoll TFT-Farbdisplay. Hier kann man die Geschwindigkeit und die gefahrenen Kilometer ablesen. Daneben gibt es die Uhrzeit, eine Temperaturanzeige und das Menü für die diversen Einstellungen. Der Fahrer empfängt hier Daten zur Energieeffizienz, Energierückgewinnung, die Restreichweite wird angezeigt und unterstützt den Fahrer dabei, seinen Fahrstil zu optimieren.
Das Vespa eigene Kommunikationssystem „Vespa Mia“ verbindet den elektrischen Roller mit meinem Smartphone. Bluetooth und die Vespa-App übertragen Informationen vom Smartphone auf das Farbdisplay. Per Knopfdruck am Lenker können Anrufe angenommen und Nachrichten angezeigt werden. Per Sprachbefehl können Musikcharts vom Handy aufgerufen werden. Das System speichert meine Parkposition und aktuelle Fahrzeugdaten. Unter dem Lenker findet man ein kleineres Handschuhfach mit einer USB-Ladebuchse.
Meine kurze Probe der Vespa Elettrica in Lucca
Wer die E-Roller etwa vom Sharing bei emmy oder COUP kennt, der weiss wie kraftvoll die elektrischen Zweiräder anziehen. So ist das auch auf der elektrischen Vespa. Mit Lithium-Ionen-Batterie und kinetischer Energierückgewinnung schafft sie offiziell bis zu 100 Kilometern Reichweite. Das gilt definitiv hier auf dem Hof des Händlers oder auch den Straßen im italienischen Lucca. Ich bezweifle allerdings, ob diese Reichweite auch für die Hügel der Toskana gelten kann. Hier sind eher 60-70 km Reichweite machbar.
Leider fällt auch sofort auf, dass es diese elektrische Vespa nur als 50er Roller gibt. Sie beschleunigt zwar tapfer auf 47 km/h, aber dann ist halt Schluss. Unter dem Sitz findet sich der fest verbaute große Akku mit seinen 86,4 Amperestunden. Mit den 4,8 PS ist halt nicht mehr drin. Da rauscht meine Familie mit den gemieteten 125er Benziner Vespas locker davon. Leider war hier in Lucca die elektrischen Vespa nicht zu mieten, ich konnte lediglich ein paar Runden auf dem Hof des Händlers kreisen.
Wie kommt die elektrische Vespa in Italien an?
Fragen Sie zwei Italiener und sie bekommen zwei Meinungen. Da sind einerseits die Puristen, die sich eine Vespa niemals ohne den Vespa Sound vorstellen können. Zu meinem Erstaunen höre ich aber auch von einer großen Nachfrage gerade in Rom und Mailand. Warum ausgerechnet dort? Das liege an dem stolzen Preise für die elektrische Version der Vespa. Nur in den Großstädten könne man sich den Aufschlag wirklich leisten, sobald es ins Umland gehe, da benötige man eben doch mehr als die 50er Version.
Die Geschichte der italienischen Kultmarke Vespa beginnt in Rom
Im April 1946 wurde das innovative Zweirad im Golfclub von Rom zum ersten Mal präsentiert. Ein neues Logo ersetzte das vorherige Markenzeichen der Piaggio-Modelle. Die ersten Vespa Fahrzeuge wurden über ein kleines Händlernetzwerk mit Preisen zwischen 55.000 Lire für das Basismodell und 66.000 Lire für das Deluxe-Modell verkauft. Bis zum 70 jährigen Jubiläum im Jahre 2016 wurde Piaggio / Vespa zum beliebtesten Roller weltweit. Die Vespa gehört, ebenso wie Espresso, köstlichem Essen und italienischem Wein zu einem der Markenzeichen der Italiener.
Mein Fazit nach einer Proberunde mit der elektrischen Vespa aus der Toskana
Der Vespa Style ist wieder ein echter Hingucker. Spätestens beim Anblick dieser elektrischen Version eines Rollers wird wiederum klar, dass die elektrischen Wettbewerber wie Kumpan, NIU oder Gogoro nicht mit diesem Klassiker aus Italien mithalten können, wenn es um den ‚Look‘ geht. Der Grund: die italienischen Designer haben die elektrische Version ihres Rollers einfach nicht verändert – aus meiner Sicht heraus sehr smart. Die Größe des Displays gefällt mir gut, es ist auch bei Sonneneinwirkung gut lesbar. Soweit die positiven Aspekte.
Leider ist die jetzige Version der Vespa Elettrica kein gutes Paket
Leider überwiegen aus meiner Sicht beim jetzigen Modell der Vespa Elettrica die negativen Punkte. Zunächst einmal lässt sich der Akku nicht entnehmen, das ist sehr unpraktisch, vor allem hier bei der Nutzung in Italien, einem Land mit wenig Garagen und privaten Ladestationen.
Der Hammer jedoch ist die Kombination aus Preis und Motorisierung. Für einen „50er-Roller“ sind die 6.400 Euro (gilt in fast ganz Europa) einfach viel zu hoch. Hier ist der Preis für ein elektrisches Fahrzeug total falsch angesetzt. Aus meiner Sicht hat die Vespa Elettrica nur dann eine Chance, wenn sie mit wesentlich mehr Kraft ausgestattet wird. Erst dann lohnt sich der Griff ins Portemonnaie für einen der zugegebenermaßen schönsten Roller der Welt.
Bildrechte: Michael Brecht / Vespa Webseite
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