Diese Woche hatte ich die Gelegenheit, nicht nur ein Elektromotorrad der Marke ZERO zu testen. Ich konnte die Modelle S, SR und FX fahren. Die S ist die kleinste und leichteste, die SR ist deutlich sportlicher unterwegs und die FX ist eine schnelle und flexible Enduro.
Zum Vergleich: Ich selbst fahre eine Honda CBF 600 PC 38 mit 78 PS. In der Welt der Motorräder ist sie damit im unteren Leistungsbereich unterwegs. Sie kommt in ca. 4 Sek. von 0 auf 100 km/h und schafft etwa 210 km/h in der Spitze. Derzeit sind Touren-Reifen mit gutem Grip in der Kurve, aber auch guter Laufleistung drauf. Sie wiegt vollgetankt etwa 225 kg. Mit meinen zwei Metern bin ich für die Honda eigentlich zu groß aber immerhin normal gebaut.
Was alle ZERO-Modelle gemeinsam haben
Wenn man die ZERO’s in der Realität das erste Mal sieht, fällt sofort auf, dass sie dünn sind. Das ist kein Wunder, denn den bulligen Tank gibt es nicht. Den Auspuff, die Kupplung und die Kette sucht man ebenfalls vergeblich. Es gibt allerdings auch die Möglichkeit, eine Kette nachzurüsten. Das Cockpit sieht bei allen Modellen zunächst gleich aus. Der Drehzahlmesser (Torque) ist auf der rechten Seite. Daneben befindet sich eine Anzeige, für den Energieverbrauch (Output und Power). Die Anzeige „Regen“ zeigt die Rekuperation an, wenn man vom Gas (oder besser vom Strom?) geht. Sehr schön sind auch die verschiedenen Fahrmodi. Es gibt „ECO“, „SPORT“ und „CUSTOM“. Im „ECO“-Modus sind alle drei bei 115 km/h elektronisch abgeriegelt. Der „CUSTOM“-Modus (rechts oben im Bild) erlaubt es, das Motorrad über die ZERO-App nach den eigenen Wünschen zu konfigurieren. Sind die App und das Motorrad über Bluetooth verbunden, kann man die Höchstgeschwindigkeit, das maximale Drehmoment und die maximale Rekuperation einstellen. Das Display lässt sich ebenfalls konfigurieren. Die im Bild gezeigten Einstellungen lassen sich über die App nach Belieben auf dem Display verteilen. Der Ladezustand kann am Smartphone überwacht werden.
Die Motorräder wurden mir freundlicherweise von der Firma Häring Solar in Obermeitingen zur Verfügung gestellt. Eine hilfreiche Einweisung und Zusatzinfos gab’s noch obendrauf.
Die ZERO S – der Einsteiger
Dort wo der Tank eigentlich sitzt ist Stauraum und es kann ein zusätzlicher Akkupack mitgenommen werden. Da der Elektromotor deutlich kleiner ist, ist auch dort noch zusätzlicher Stauraum vorhanden. Ein passendes Akkupack gibt es auch hierfür. So kann die Reichweite von 82 km auf bis zu 193 km gesteigert werden. Mehrere, parallel nutzbare Ladegeräte reduzieren die Zeiten zum Aufladen enorm. Die ZERO S (siehe Titelbild) ist ohne zusätzliche Akkus mit 142 kg eher leicht. Das macht sie auch sehr wendig und Fahrten durch die Stadt machen Freude. Sie kommt laut Herrn Häring in 6,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und schafft 160 km/h Spitze. Die Sitzposition ist gefühlt weit vorne. Ich bin allerdings auch deutlich zu groß für die S. Das Bremspedal sitzt im Verhältnis zur Fußraste etwas zu hoch, was aber sicher auch dem starken Winkel meiner Beine geschuldet ist. Ich muss den Fuß anheben und gezielt auf das Pedal setzen um am Hinterrad zu bremsen. Bei meiner Honda ist es nur ein Ruck nach links mit dem Fuß um etwa drei Zentimeter. Das Kurvenverhalten ist super. Die Reifen schienen aber auch für Kurvenfahrten ausgelegt zu sein. Sie lässt sich gut in jede Richtung drücken und drehen ohne Ruckeln oder Rutschen. Einen großen Unterschied zwischen den Modi „ECO“ und „SPORT“ konnte ich leider nicht feststellen. Das Elektromotorrad ZERO S ist also etwas für Fahrer/innen bis ca. 1,80m Größe, die eher kürzere Strecken fahren oder damit pendeln möchten. Hierbei ist das ABS sicher ein wertvoller Helfer.
Die ZERO SR – stark und flexibel
Die SR unterscheidet sich äußerlich kaum von der S. Die Sitzposition ist etwa die gleiche. Auffällig ist, dass sie mit ca. 200 kg deutlich schwerer ist. Das Kurvenverhalten ist dennoch toll. Ich hatte den Eindruck, dass die Reifen an den Seiten härter sind. Die Standardreichweite kann mit einem Akkupack von 128 km auf 170 km erweitert werden. Herr Häring meinte jedoch, dass die maximale Reichweite weit höher liegt. Er selbst ist schon 305 km mit einer Akkuladung im „ECO“-Modus gefahren. Bei diesem Modell spürt man auch einen deutlichen Unterschied zwischen den Modi. Sie ist im „ECO“-Modus bereits flott unterwegs, etwa so wie die S im Sport-Modus. Die SR beschleunigt im „SPORT“-Modus in etwa 4 Sekunden auf 100 km/h. Mit einem etwas kleineren und leichteren Fahrer als mir, wird das noch schneller gehen. Ist man bereits in Fahrt und dreht im „SPORT“-Modus voll auf, sollte man die Füße vorsorglich an die Fußrasten drücken, denn im Unterschied zum Verbrenner wird die volle Leistung schlagartig freigesetzt und zaubert ein breites Grinsen ins Gesicht. Allerdings geht das nicht allzu oft, da die Akkus schnell heiß werden. Bereits nach wenigen Kilometern des Grinsens leuchtete die Temperaturanzeige und die Leistung wurde automatisch gedrosselt (Lufttemperatur ca. 25°C). Die Überhitzung ist allerdings auch bei vielen Benzinmotorrädern ein Problem. Das ist auch ein Grund, warum so wenige in der Stadt und so viele durch den Stau fahren. Das Elektromotorrad ZERO SR ist also etwas für längere Strecken im „ECO“-Modus mit der Option von gewaltiger Beschleunigung im „Sport“-Modus.
Die ZERO FX – Fahrspaß pur
Die Enduro der elektrischen Familie ist für mich am besten geeignet, schade nur, dass sie mir optisch nicht gefällt. Der weite Federweg lässt mich bequem, vergleichbar mit einem großen Schreibtischstuhl, sitzen. Die Leistung ähnelt der SR. Sie macht eine Menge Spaß, da das Kurvenverhalten aufgrund der breiten Auflagefläche der Reifen super ist. Die hintere Federung ist sehr weich und man kann den Sattel fast schon springen lassen, was sie aber nur noch flexibler macht. Für Fahrten durch’s Gelände sollte sie super geeignet sein. Ich muss dazu sagen, dass dies meine erste Fahrt auf einer Enduro war. Stauraum und austauschbare Akkupacks bietet die FX leider nicht. Laut Broschüre ist nach 82 km bereits Schluss mit dem Fahrspaß.
Verbrenner oder Elektromotorrad?
Ein Elektromotorrad ist eine super Abwechslung zu meiner Honda. Der Motor hat keine Vibrationen, man hört nur ein leises Summen und die Federung ist bei allen drei Modellen top. Stöße werden sehr gut aufgenommen. Es ist fast, als würde man schweben. Die fehlende Kupplung ist ok. Ich bin ein Freund des Schaltens und könnte es vermissen, aber der Fahrspaß ist groß. Leider ist das Display bei Sonneneinstrahlung nur schwer ablesbar. Für Strecken mittlerer Länge und zum Pendeln sind sie wunderbar geeignet. Wochenend-Ausfahrten oder Touren in die Berge könnten wegen der langen Ladezeiten (im Vergleich zum Tanken) etwas weniger mit Fahren und etwas mehr mit Laden zu tun haben.
Bildrechte: Johannes Riese