Die Dreifaltigkeit der Urbanen Mobilität – ein Kommentar von Michael Brecht

Es ist ein hektischer Jahresstart, den wir in Deutschland in Sachen Urbane Mobilität erleben. Und leider mussten in den letzten Wochen bereits einige Anbieter an Mobilitätsdienstleistungen in Deutschland aufgeben. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Beteiligt an den Misserfolgen, aber auch an den hoffnungsvollen Mobility Innovationen sind in der Regel drei Parteien – ich nenne es die Dreifaltigkeit der Urbanen Mobilität.

Mein heutiger Kommentar soll erklären, weshalb wir in Mobilitätslösungen genau diese Trinität benötigen, eine unauflösbare Einheit, quasi ähnlich der christlichen Lehre. Nur dass es in Sachen Mobility nicht um Gott, Jesus und den Heiligen Geist geht, sondern um einen anderen Dreiklang.

Die Dreifaltigkeit der Urbanen Mobilität

Ich entschuldige mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Kirchgängern für die Verwendung des Begriffes ‚Dreifaltigkeit‘! Wobei ich die Bedeutung von ‚Dreifaltigkeit‚ durchaus passend finde, wenn es um so wichtige Themen wie die heutige Urbane Mobilität geht. Und ein Kirchgang, der hat ja durchaus etwas von Mobilität. Überhaupt wäre es in unseren Städten durchaus angebracht, wenn wir alle mehr den Gang und nicht das Auto von A nach B wählen täten.

Urbane Dreifaltigkeit: Mobility Startups und ihre Innovationen, die Stadtoberen und das Kapital

Nun, urbane Dreifaltigkeit besteht für mich aus dem Zusammenspiel von Mobility Startups, den Stadtentscheidern und dem verfügbaren Kapital für die Innovationen. Wie wichtig die Einheit dieser drei Bestandteile wirklich ist, das zeigen diese ersten Wochen im Jahre 2020. Wenn nur eines der drei Teile nicht vorhanden ist, so gehen Mobilitätslösungen in unseren Städten schief. Oder anders gesagt, stehen die Anbieter dieser neuen Mobilitätslösungen vor dem Aus.

Die Startups selbst machen Fehler und kommen nicht auf nachhaltig wirtschaftliche Beine

Fangen wir mit der Aufgabe eines Mobility Startups aus dem Segment der Mikromobilität an: der Elektroroller Sharing Anbieter coup war als Tochter des Zulieferers Bosch vor wenigen Jahren gestartet, um mit seinen Fahrzeugen die Fahrten in den Innenstädten zu revolutionieren. Das Startup selbst litt jedoch insbesondere in den letzten Monaten unter zwei strategischen Fehlern, die die Lenker von coup gemacht hatten: zunächst waren die Startkosten für das Unternehmen coup exorbitant hoch. Mit Hilfe des Inkubators BCG Digital Ventures wurde eine digitale Lösung für sehr viel Geld aufgesetzt. Dann glaubte coup, neben Berlin in den Metropolen Paris und Madrid ausgerechnet die dortigen lokalen Platzhirsche zeitgleich angreifen zu wollen. Ganz gleich ob Cityscoot in Paris oder emmy in Deutschland, coup kämpfte von Anfang an gegen die lokalen Platzhirsche und hatte eigentlich nie eine wirkliche Chance. Zusätzliches Problem: der weltweite B2B Spezialist Bosch fühlte sich von Anfang an in dem B2C Segment von coup fremd, Bosch und B2C -> das passte einfach nicht.

Inzwischen gehören die E-Mopeds von coup und die dazu gehörende Infrastruktur für den Betrieb der gogoro Roller zu TIER. Multimodal können bei TIER zukünftig E-Scooter und E-Roller gemietet werden, kulturell passen die beiden Services viel besser zusammen.

Bildrechte: TIER Mobility – das Berliner Mobility Startup kauft die E-Mopeds von Coup und wird multimodal

Management Fehler und keine Anschlussfinanzierung: zwei der drei Kernthemen gingen in Berlin bei Circ schief

Weniger ein eigener strategischer Fehler, als vielmehr der enorme Wettbewerb unter den Micromobility Startups wurde dem Berliner E-Scooter Anbieter Circ zum Verhängnis. Und doch war auch hier der Start von einem ‚Fehler‘ geprägt, denn der Service firmierte zunächst unter ‚GoFlash‘. Dann wurde nach einigen Monaten der Name auf Circ verändert, die Begründung: das GoFlash Label rief falsche Assoziationen bei den vielfach neuen und kritischen Nutzern der E-Scooter hervor. Ein kostspieliger Wechsel des Markennamens vermasselte den Start von Circ und in der extrem schnell agierenden Welt des E-Scooter Sharings war das wahrscheinlich eines der Kernprobleme des Berliner Anbieters.

Als dann zusätzlich die Anschlussfinanzierung bei Circ länger und länger auf sich warten ließ, da wurde klar: hier fehlt den bestehenden und eventuellen neuen Investoren der Mut und vielleicht auch die Überzeugung, dass Circ im globalen Wettbewerb der gut-finanzierten Tretroller-Sharing Anbieter wie etwa TIER oder VOI mithalten kann.

Bildrechte: Michael Brecht – TIER und VOI E-Scooter in Düsseldorf

Den guten Kontakten und dem Verkaufstalent des Gründers Lukasz Gadowski ist es wahrscheinlich zu verdanken, dass Circ Anfang dieses Jahres noch unter das Dach von Bird schlüpfen konnte. Durch einen Aktiendeal halten die Circ Investoren wenigstens noch Anteile des amerikanischen Sharing Anbieters Bird in den Händen. Dieser Fall zeigt also einen Management Fehler zu Beginn und die fehlende Anschlussfinanzierung als (beinahe) Aufgabegrund.

Kein Zugang zu Wachstumsfinanzierung – Oply gibt auf

Anfang Februar verkündete dann der Berliner Carsharing Anbieter Oply seine Aufgabe zum 27. des Monats. Interessant am Oply Modell war neben der Möglichkeit der Vorreservierung das Buchen von Pkw und Transportern aus einer App heraus. In der jeweiligen Nachbarschaft in vielen Stadtvierteln von Berlin, Hamburg und München standen die Fahrzeuge von Oply, der Anbieter war gerade auch für die Wochenendbuchungen beliebt. Nun also die Aufgabe und bei Oply geht es klar um das Thema fehlendes Kapital. Bei zunehmend schlechter Presse zum reinen Carsharing kämpfte das Berliner Mobility Startups damit, keinen OEM Partner an seiner Seite zu haben. Die hohen Selbstbehalte für die Leasingraten seiner Fahrzeuge standen dem schnellen Wachstum im Weg. Oply verschwindet vom Markt, weil das Management Team um Katharina Wagner keine Finanzierung zustande bekam.

Zu guter Letzt: die Entscheider für die Angebote an Urbaner Mobilität

Bleibt im Rahmen dieser Dreifaltigkeit die Frage: wie spielen die Entscheider in den Städten mit? Welche Innovationsfreude versprühen die Mobilitatsentscheider in Berlin, München, Düsseldorf & Co.? Das Zusammenspiel von Politik und den Machern in den Stadtwerken, die häufig die Hoheit über die Mobilitätsthemen in den Städten haben, ist nicht immer reibungslos.

Zusätzlich fehlt häufig der Mut, das Geld oder Beides, um den neuen Ideen der Mobility Startups folgen zu können. Jüngstes Beispiel: die Konzeptlosigkeit und der fehlende Mut in Berlin, den Ridepooling Service Berlkönig in seiner jetzigen oder auch abgewandelten Form weiterzuführen. Die vierjährige Testphase läuft aus, ergänzende Tests zum Beispiel auf der letzten Meile am Stadtrand von Berlin werden wohl nicht kommen. Hier zeigen die Hamburger mit dem Ridepooling Service ioki was Sache ist und wie das Zusammenspiel von ÖPNV und privatem Anbieter zum Wohle der Pendler tatsächlich funktionieren kann.

Mein Fazit zur Dreifaltigkeit der Mobilität

In stürmischen Zeiten muss das Zusammenspiel aller an moderner Mobilität Beteiligten passen. Wir brauchen innovative Mobility Startups, genügend Geld von öffentlichen oder privaten Anbietern, wie etwa Venture Capital oder Private Equity, und wir brauchen mehr Mut bei den Entscheidern in den Smart Cities. Viele europäische Städte machen uns vor, wie das geht. Sei es Kopenhagen oder Paris, oder die Fahrrad-verliebten Holländer in Utrecht, Rotterdam oder Tilburg. Ich denke, dass wir auch in Deutschland mehr Mut zu neuen Lösungen in Urbaner Mobilität haben sollten. Auf geht’s.

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