In dieser Woche brachte der Bundesverband CarSharing e.V. (bcs) die Jahresstatistik für das Kalenderjahr 2019 heraus. Die Carsharing-Szene wächst in Deutschland weiterhin, auch wenn sich die Schwerpunkte der Branche inzwischen etwas verschieben.

In Deutschland wachsen die Carsharing Angebote

Zu Beginn des Jahres 2020 gab es in Deutschland 226 Carsharing-Unternehmen, -Genossenschaften und -Vereine. Damit haben sich im vergangenen Jahr 45 neue Anbieter auf dem Carsharing-Markt etabliert. Insgesamt finden wir diese Carsharing Anbieter an 840 Orten, ein Wachstum von 100 Orten im Vergleich zu 2018.

Insgesamt stehen den Kunden in Deutschland 25.400 Autos zur Verfügung, ein Anstieg um 25,7 Prozent. Die Expansion in neue Städte und Gemeinden wird von stationsbasierten Carsharing-Anbietern getragen. Die Zahl der Städte und Gemeinden mit einem reinen Free-floating-Angebot blieb hingegen mit jetzt 17 Orten gegenüber dem Vorjahr fast unverändert.

Carsharing in Deutschland wächst aufgrund der stationsbasierten Angebote

Zu Beginn des Jahres 2020 wurden in Deutschland 12.000 Fahrzeuge im stationsbasierten Carsharing zur Verfügung gestellt. Die stationsbasierte Flotte vergrößerte sich damit gegenüber dem Vorjahr um 800 Fahrzeuge oder 7,1 Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Fahrberechtigten im stationsbasierten Carsharing um 60.000 auf jetzt 710.000 Kunden.

Hierzu verdeutlicht der Verbandsgeschäftsführer Nehrke: „Das stationsbasierte Carsharing hat die höchste verkehrsentlastende Wirkung. Ein stationsbasiertes Carsharing-Fahrzeug ersetzt bis zu 20 private Pkw.  Deswegen ist das Wachstum hier von besonderer verkehrspolitischer Bedeutung.“ Stationsbasiertes CarSharing ist in 840 Städten und Gemeinden in Deutschland verfügbar. Die größten Anbieter deutschlandweit sind: stadtmobil, cambio, teilAuto, book-n-drive oder Flinkster als Tochter der Bahn.

Quelle: Carsharing Bundesverband – Jahresbericht

Mehr Fahrzeuge für dieselbe Anzahl an Orten im Freefloating-Carsharing Segment

Im Marktsegment des Freefloating Carsharing ist die Fahrzeugflotte im vergangenen Jahr besonders stark gewachsen, insgesamt werden zu Jahresbeginn 2020 gut 13.400 Fahrzeuge bereitgestellt. Das sind 4.400 Fahrzeuge mehr als noch im Vorjahr und bedeutet ein Wachstum von 48,9 Prozent. Der Grund für diesen massiven Anstieg der Fahrzeugzahlen ist vor allem der Markteintritt neuer, großer Anbieter aus der Automobilindustrie und der klassischen Autovermietung. Die VW Konzerntochter WeShare mit seiner 100% elektrischen Fahrzeugflotte und der Mobility Anbieter Sixt mit seinem neuen Sixt-Share nahmen 2019 ihre Carsharing Aktivitäten auf. Da die Zahl der Orte mit einem Freefloating-Angebot sich nicht verändert hat, verzeichnen wir einen zunehmenden Wettbewerb.

Wettbewerb im Freefloating-Carsharing fordert in 2020 ein erstes prominentes Opfer

Genau diesem Wettbewerb ist dann der Berliner Carsharing Anbieter Oply, der seine Carsharing Fahrzeuge bis zum Ende Februar 2020 auch in den Städten München und Hamburg anbietet, zum Opfer gefallen. Oply fand keine Investoren für sein Car- und Transportersharing, welches im Freefloating ‘in der Nachbarschaft’ die Fahrzeuge zur Verfügung stellte. Wir hatten gesondert zur Aufgabe von Oply berichtet.

Kombinierte Carsharing Angebote nehmen ebenfalls zu

Viele ehemals rein stationsbasierte Anbieter haben in den letzten Jahren zusätzlich zum stationsbasierten Angebot auch free-floating Fahrzeuge in ihre Flotten aufgenommen und bieten nun beide Varianten aus einer Hand an. Mittlerweile fahren 1.020 der insgesamt 13.400 free-floating Fahrzeuge in Deutschland in kombinierten Systemen.

Ein Beispiel hierfür ist der Carsharing Service der Augsburger Stadtwerke. Zunächst für einige Jahre rein stationsbasiert unterwegs, begann man in 2019 vorsichtig mit der Integration von elektrisch betriebenen Freefloating-Fahrzeugen von BMW. Die SWA hat dafür im Augsburger Stadtgebiet eine Parkzone Elektroautos in der App eingerichtet. Hier können die Elektroautos nach Fahrtende auf einem öffentlichen kostenfreien Parkplatz oder einem Anwohnerparkplatz abgestellt werden.

Carsharing wird erwachsen und gewinnt an Bedeutung in kleineren Städten

Carsharing ist jedoch nicht nur ein Phänomen der Großstädte. Zu Beginn des Jahres 2020 stehen in 46,8 Prozent aller Orte mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.000 und 50.000 Carsharing-Fahrzeuge zur Verfügung. Zusätzlich gibt es in 445 Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern inzwischen stationsbasierte Carsharing-Angebote.

Quelle: Carsharing Bundesveband e.V.

Diese Zahlen belegen, dass Carsharing auch im ländlichen Raum möglich ist. Anders als in den Städten ist Carsharing im ländlichen Raum jedoch in der Regel noch nicht aus sich alleine tragfähig und bedarf derzeit der Subventionierung von ehrenamtlichen Vereinen oder Kommunen. Hierzu fordert Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland: „Wir müssen Mobilität ganz neu denken. Individuelle Mobilität ist zukünftig digital – in der Stadt und auf dem Land. … Damit die umweltfreundlichen Verkehrsmittel eine echte Alternative sind, brauchen wir mehr Platz fürs Rad, deutlich weniger Autos und einen konsequenten Ausbau der Infrastruktur bei Bus und Bahn. Dass jeder im eigenen Pkw unterwegs ist, ist ökologisch wie ökonomisch Wahnsinn. Carsharing setzt genau an der richtigen Stelle an: Für einzelne Wege leihe ich mir zukünftig das Auto, das ich gerade brauche.“

Mein Fazit zur Carsharing Situation zu Beginn des Jahres 2020

Ich kann mich den Forderungen von Kerstin Haarmann nur anschließen. Die aktuelle Situation in Sachen Carsharing ist angespannt. Denn einerseits wächst das Angebot, andererseits finden unabhängige Anbieter wie Oply keine Investoren mehr. Es fehlt uns in Deutschland, beim Thema ‘Moderne Mobilität‘ leider vielfach an Mut, Motivation und Weitsicht.

Carsharing als Mobility-Service braucht seine Zeit und hilft nachweislich die Anzahl an Fahrzeugen in einer Stadt zu senken. In Ergänzung zu einer ausgebauten Infrastruktur für Zweiräder und einem verlässlichen ÖPNV hilft Carsharing zukünftig auf das eigene Fahrzeug zu verzichten. Mit einem Ausbau dieser Infrastruktur und mehr (elektrischen) Fahrzeugen werden wir moderne Mobilität in den Städten und auf dem Land neu gestalten. Davon bin ich fest überzeugt.